Der Check der Wetterapp am Frühstückstisch verspricht nichts Gutes für heute, dabei war gestern so ein traumhafter Tag hier in Lemberg.
Bei Booking gibt es in unserem "Wunschgebiet" nicht viel Auswahl.
Wir buchen das Maciejewka für eine Nacht. 9,9 Punkte mitten im Nirgendwo mit Halbpension erscheinen uns gleichzeitig praktisch und ungewöhnlich.
Für die 80 Kilometer bis zur polnischen Grenze brauchen wir länger als gedacht. Lemberg ist mit 750.000 Einwohnern doch recht gross. Die Randbezirke sind kein Speckgürtel, sondern bestehen aus verstopften Strassen, hässlichen Wohnblocks, in denen man nicht leben möchte, aus Supermärkten, Fabriken, Baustellen.....
An einer Bushaltestelle ziehen wir die Regenklamotten über, sehr sinnvoll, wie sich 5 Minuten später erweist.
Eine halbe Stunde später sind wir aus der Ukraine raus. Die haben mal wieder nur Bernd's Tasche und eins seiner HT Rohr kontrolliert. Ich bleibe wie fast immer unbehelligt 😊
Dann kommt die polnische Grenze.
Wir stehen in der EU Schlange und warten und warten und warten. Wir wollten eigentlich nur schnell rüber und dann in Polen zu Mittag essen.
Es wird in Blöcken abgefertigt. Was heisst hier Blöcke!? Für die 4 Autos vor uns braucht der Zoll 1.5 Stunden. Bereits jetzt stehe ich kurz vor dem Platzen. Mein Hunger macht es nicht besser.
Dann geht die Schranke endlich hoch und wir und vier Autos dürfen vor das Zollhäuschen fahren. Eine mega angepisst aussehende polnische Zollbeamtin sammelt alle Pässe und Fahrzeugpapiere ein. Sie erinnert mich daran, wie ich vor 33 Jahren einmal in die DDR eingereist bin. Mit allen Papieren verschwindet sie in ihrem Häuschen. Eine halbe Stunde später geht sie mit Jacke und Tasche davon. Feierabend!
Wir schauen uns ungläubig an. Der Pole vor und der Deutsch-Ukrainer hinter uns sind die Gleichmut in Person. Das wäre hier nun mal so. Wir warten.
Nichts passiert.
Ich frage bei der Grenzpolizistin nach, die im Büro daneben sitzt. Sie entschuldigt sich, kann aber nichts machen. Der Zoll würde Dienst nach Vorschrift machen. Wir müssen warten bis jemand kommt.
Eine halbe Stunde später erscheint eine andere ebenfalls extrem unfreundliche Zollbeamtin und verschwindet in ihrem Häuschen. Ich gehe zu ihr und frage wie lange es noch dauert. Sie schaut mich nur böse an und befasst sich anschliessend ausführlich mit unseren TÜV Plaketten. Bernd sagt, das ich mich beherrschen soll.
Dann beginnt sie das Auto vor uns zu filzen. Der Pole muss ALLES auspacken.
Dann kommt sie zu uns. Bernd sagt noch, jetzt wird es lustig.
Sie sagt in ihrem "freundlichen" Ton "open the bags!" Ich sage "which one?" Sie sagt "all". Ich ziehe den Reissverschluss der grossen Ortliebtasche auf und sage ihr ziemlich sauer und wahrscheinlich auch etwas lauter meine Meinung. "35.000 Kilometer sind wir gereist. An keiner Grenze wurden wir bisher so!!! behandelt. Ich teile ihr auch direkt mit, dass ich mich über ihr Verhalten und das der Kollegin beschweren werde. Wir kommen schliesslich zurück in die EU und nicht in irgendeine Bananenrepublik". Sie schaut uns ziemlich irritiert an ( noch irritierter schauen die anderen Wartenden) und dann geht sie weiter. Wir müssen nichts weiter auspacken. Puh......etwas gewagt der Gefühlsausbruch, aber berechtigt. Erstaunlich, dass sie uns in Ruhe lässt. Jetzt werden erstmal die 3 Autos hinter uns kontrolliert. Sie verschwindet wieder im Häuschen und zumindest erhält der Pole vor uns schon mal seine Papiere. Dann kommt sie nochmal raus um uns zu fragen, wieviel Benzin wir im Tank haben.
Jetzt ist auch Bernd langsam aber sicher auf 180. Was soll denn diese Frage?!?!
Wir stehen vor ihrem Fenster und endlich bekommen wir unsere Papiere und Pässe zurück. Was für eine schwere Geburt!!!
Ich frage sie nach ihrem und dem Namen des Chefs. Uups, damit hatte sie nicht gerechnet. Verschreckt telefoniert sie mit dem Zollchef. Ihren Namen bekommen wir nicht, aber wir können mit ihrem Chef sprechen. Klar, machen wir.
5 Minuten später stehen wir in seinem Büro und fragen ihn warum man als EU Bürger sooo an "seiner Grenze" behandelt wird. Es ist ihm sichtlich peinlich, er entschuldigt sich und schiebt irgendwelche Computerprobleme vor. Über diese blöde Ausrede ärgern wir uns noch mehr.
Ob das jetzt irgendeinen Sinn gemacht hat? Keine Ahnung, aber ich finde, man darf seinen Ärger durchaus bei den Verursachern abladen und nicht nur alles einfach hinnehmen. Sonst denken die noch, sie könnten alles machen.
Mittlerweile hat es wieder angefangen zu regnen. 100 Kilometer über kleine, kurvige Strassen liegen noch vor uns. Eine schnelle Portion Pommes und auf gehts. Es schüttet wie aus Eimern und es ist kalt. Das Wasser steht in den Stiefeln, die Hände sind eisig und unsere Stimmung ist im Keller als wir fast 2 Stunden später bei unserer Unterkunft an kommen. Reisen ist nicht immer lustig und Polen ist, bis jetzt, einfach nur doof!
Die letzten 200 Meter geht es steil über rutschigen Kies und der Regen läuft wie ein Bach den Hang herunter. Trotzdem denke ich: ist das schön hier!
MACIEJEWKA, so heisst dieser Ort.
Es gibt 5 unterschiedliche Zimmer mit gemeinsamen Wohn- Eßzimmer und Küche. Verbaut sind wunderschöne Naturmaterialien. Jedes Detail ist liebevoll gewählt.
Erstmal müssen wir abtropfen. Nach einer warmen Dusche und einem heissen Tee ist die Welt wieder in Ordnung.
Maciej, der Besitzer, kocht selber für seine Gäste, so heisst es bei Booking.
Wir erfahren, dass "nur" vegetarische Gerichte gibt. Wie schön!
Schön angerichtet kommen Falafel mit einem Gartensalat und als Desert ein salziges Carameleis. Das schmeckt alles phantastisch.
Chris und Natalia, ein junges Paar aus Breslau setzen sich zu uns. Sie erklären uns auch, dass Maciejewka in Polen recht berühmt ist. Der Besitzer Maciej hat lange Zeit in den besten Restaurants London's gekocht. Er hat sich vom Tellerwäscher hochgearbeitet. Sein Traum war es, einen besonderen Platz in seinem Heimatland zu schaffen. Das ist ihm mit seiner Frau Eva gelungen. Monatelang im voraus buchen die Leute mittlerweile.
Mit viel Glück haben wir wohl diese Nacht erwischt. Eine Verlängerungsnacht ist aber nicht möglich, schade.
Auch das Frühstück ist wunderbar. Auf vielen kleinen Tellern kommen verschiedene Köstlichkeiten. Besonders gut sind die noch lauwarmen Heidelbeer Muffinska ( so heissen die wirklich in Polen).
Wir müssen leider weiter. Es regnet ohne Unterbrechung, wie auch die ganze Nacht schon. Für heute sind 50 Liter Regen bei 14 Grad gemeldet. Da Morgen Feiertag ist, sind sehr viele Unterkünfte ausgebucht. 80 Kilometer sind es bis zu einem preislich akzeptablen Zimmer.
7 Quadratmeter und Dachschräge, aber wir sind froh im Trockenen zu sein. 2 Tage braucht es bis die Klamotten und Stiefel wieder trocken sind. Auch die Sonne lässt sich wieder blicken und wir haben Spass an den kleinen Entenküken.
50 Kilometer durch zugegeben schöne Landschaften und dann fahren wir erstmal wieder raus aus Polen.
Dank Schengenabkommen geht es ganz schnell, und ohne Zoll (!),in die Slowakei.
Polen wird in ein paar Tagen eine zweite Chance bekommen.